Abenteuerfahrt Spessart (1992)
Die erste Wanderfahrt des Stammes Daniel Boone
Das Spessartgeländespiel der Goldsteiner Pfadfinder war als Einstieg in das neue Sippensystem geplant worden. Zwei Gruppen (Sippen) sollten über 11 Tage Aufgaben und Probleme meistern, welche sie für ihre zukünftige Sippenarbeit brauchen würden. Unter dem Thema Indianer“ waren die Jungpfadfinder und Neulinge bis ins nächste Sommerlager aufgerufen, eigenständig sich diesem Thema zu widmen …
Zur Fahrt trafen sich die Sippen am Goldsteiner Waldfriedhof, um von dort nach Schöllkrippen zu fahren. Am Bahnhof trennten sich beide Sippen, da sie unterschiedliche Zielpunkte anzulaufen hatten. Natürlich war das Finden einer kleinen Ortschaft auf der Landkarte noch ein Problem, besonders wenn man noch dachte, daß man geholfen bekommt. Aber man schaffte es dennoch und darauf kam es an.
Die eine Sippe traf noch am Vormittag in Jakobsthal ein, wo sie ihre Aufgaben lösen sollten und einkaufen sollten. Aus dem Einkauf wurde nichts, denn das Dorf hatte keinen Einkaufsladen mehr. Die nächste Orientierungsaufgabe bestand aus Koordinatenzahlen für mögliche Übernachtungsplätze. Der erste Koordinatenpunkt wurde mittags gefunden. Leider war dortkein Trinkwasser, was den Entschluß, weiterzulaufen, beschleunigte. Erst in Heigenbrücken konnten die Feldflaschen wieder mit Wasser gefüllt werden. So wurden die Koordinaten für den Ausweichplatz ermittelt, der nordöstlich von Heigenbrücken in einem Tal lag. In Heigenbrücken konnte die Sippe ihren Vorrat an Lebensmitteln auffrischen, wobei man bedacht war möglichst wenig Geld zu verwenden. Am späten Nachmittag fand die Sippe ihren übernachtungsplatz bei einer Marienquelle, deren Wasser uns alle herrlich erfrischte. Für die andere Sippe war der Weg nicht weniger leichter gewesen, doch konnten sie Lebensmittel und Trinkwasser in Heinrichsthal bekommen. Gegen Abend trafen sie dann die andere Sippe, die ganz frech ihre Trinkwasserquelle belagerte. So fragte man auch nicht, als man quer durch das Lager der anderen Sippe tippelte. Der Spaß endete, als man die dort lagernde Sippe ärgerte. Man fesselte daraufhin den Gegner kurzerhand an einen Baum, um zu sehen, was wohl die andere Sippe unternehmen würde. Nach wenigen Minuten kam dann auch mit viel Lärm und Kriegsbemalung die andere Sippe und befreite ihren Kameraden. Da beide Sippen hungrig und müde waren, schloss man Frieden für die Nacht. Selbstständigkeit in allen Ehren, aber um das Abendessen kümmerten sich an diesem Abend nur die Feldmeister. Das nächste Tagesziel war für beide Sippen verschlüsselt. So besaß jede Koordinatenziffer einen bestimmten Buchstaben aus dem mitgeführten Indianerbuch. Buchstabe für Buchstabe musste in die richtige Zahl übersetzt werden und die entstandenen Koordinaten mit dem Planzeiger interpretiert werden. Es war dann auch früh am Morgen als die eine Sippe von ihrem Nachtlager bei der Quelle aufbrach. Die andere Sippe schlief noch tief in einer Schutzhütte weit oberhalb der Quelle. Ihr gemeinsames Ziel war ein Grillplatz bei Mosborn. Man fand schnell heraus, daß Mosborn ein kleiner Ort war und mit Sicherheit keine Einkaufsmöglichkeiten besaß. Aus der Erfahrung des letzten Tages wollte man den Umweg über die Ortschaft Wiesen nehmen, um dort einzukaufen. Auch sollte auf dem Weg Trinkwasserquellen liegen, nur3 stellte sich bald heraus, daß sie schon lange ausgetrocknet waren. Man beeilte sich also und traf in rekordverdächtiger Zeit am Mittag in Wiesen ein. Im Schatten von Bäumen ruhte man dann mehre als eine Stunde, bevor man den Weg zum Laden suchte. Denn die Mittagshitze war an diesem Tag besonders ehrgeizig. Man erledigte Einkäufe für das Wochenende und beschloss über den Wiesbüttsee nach Mosborn zu laufen. Am Wiesbüttsee ruhte sich die Sippe dann am Nachmittag aus, um gegen Abend der anderen Sippe in Mosborn einen Besuch abzustatten. Auf dem Weg nach Mosborn traf die Sippe dann plötzlich einige Bornheimer Pfadfinder, die sich in Mosborn mit uns treffen wollten und teilten uns enttäuscht mit, daß die andere Sippe nicht in Mosborn war. Also ging es wieder zum Wiesbüttsee, um dort auf die andere Sippe zu warten. Am späten Abend machten sich die Pfadfinder auf den Weg zur 3 km entfernten Dr. Kiehn-Hütte, wo sie übernachten wollten. In der Nacht zog ein schweres Gewitter auf und man gedachte der anderen Sippe. Für die andere Sippe begann der Tag etwas später, als sie von Heigenbrücken aufbrachen. Man wählte dort den etwas kürzeren Weg über Habichtsthal, wo sie für den Tag die Einkäufe erledigen wollten. Dennoch mussten zahllose Pausen eingelegt werden, da die Sippe sich im Vorteil meinte. Am frühen Abend erreichten sie doch letztlich Mosborn und badeten in dem sauberen See. Von dem nahenden Gewitter und der fehlenden Unterstellmöglichkeit erschrocken, bauten sie kurz vor den ersten Regentropfen ein Notbiwak aus Ponchos und verweilten dort bis zum Morgen. Gegen Vormittag trafen sich dann alle Sippen am Wiesbüttsee und erzählten von den Erlebnissen. Die schweren Etappen waren schneller als geplant erreicht worden und man sah es den übermüdeten Gesichtern an. Die meisten hatten sich bereits an ihre Rucksäcke gewohnt und ihre Schuhe waren eingelaufen. Dennoch war eine mehrtägige Rast am Wiesbüttsee geplant. Dies kam einigen zugute, die am Ufer des Sees in der Sonne dösten. Die anderen brachen am Nachmittag nach Wiesen auf, um dort die Kirchweih zu besuchen. Gegen Abend fanden sich dann die Jungpfadfinder in einem Gästehaus wieder, daß sie mit Erlaubnis des Pfarrers für die Nacht nutzen durften. Allerdings waren einige Pfadfinder über das Ergebnis nicht besonders begeistert, denn eine übernachtung im Haus war nicht geplant und auch nicht gewollt gewesen. Jedoch gönnte man sich den Luxus von warmen Duschen und einer Küche. Kurz vor dem Abendessen wurden wir dann von einer Person gestört, die uns höflich zu gehen ersuchte. So erklärte man uns, daß man für das Haus pro Person und übernachtung 17 DM verlange. Auch hätte man sich nicht angemeldet. Wir erklärtem ihm, daß der Pfarrer uns diese Räumlichkeiten zugewiesen hatte und zwar kostenfrei . Daraufhin bat er nur noch um eine angemessene Spende, die wir hinterlegen sollten. So viel Unfreundlichkeit erklärt sich vielleicht aus der Tatsache, daß das Gästehaus vorwiegend von politischen Gruppen genutzt wird. Am Morgen, pünktlich um 6 Uhr verließen wir ordentlich und leise das Haus, so wie wir es am Abend vorgefunden hatten und hinterlegten eine von 20DM. Nie wieder! Noch von der kurzen Nacht übermüdet trafen wir die andere Sippe im Schlaf am Wiesbüttsee vor und frühstückten dort ausgiebig. Den ganzen Tag sah man verschlafene Gesichter, übermüdet oder mit Magen-Darm Problemen beschäftigt. Am späten Nachmittag wurden dann zwei Jungpfadfinder von ihren Eltern abgeholt. Am nächsten Morgen war die Stimmung schon etwas besser, da die Sippen eine neue Aufgabe bekamen. Getrennt liefen die beiden Sippen zur Burgruine Beilstein und sollten dann in Lettgenbrunn einkaufen. Aus deren Einkauf wurde nichts, denn in Lettgenbrunn gab es schon seit einigen Jahren keinen Laden mehr. Unsere Wasser- und Essensvorräte waren so gut wie aufgebraucht und so sank der Mut der Sippe. Also wurden Kundschafter ausgeschickt, die nach etwas essbaren und Trinkwasser Ausschau halten sollten, denn auf eine Wildgemüsesuppe hatte selbst der hungrigste Jungpfadfinder keinen Appetit. Vor der verschlossenen und einzigen Gaststätte ruhte sich der Rest aus. Nach einer halben Stunde kamendie ersten Kundschafter mit wilden Armbewegungen angerannt und nach Luft ringend meldeten sie, daß sie die andere Sippe beim Essen gesehen hatten. Kurze Zeit später traf man die andere Sippe beim gemütlichen Mahl vor. Denn was wir nicht wissen konnten: Lettgenbrunn hatte genau an diesem Tag Kirchweih und in einer großen Scheune war fast die ganze 200 Seelengemeinde versammelt. Freudestrahlend fanden wir die andere Sippe bei Currywurst mit Pommes und setzten uns dazu. Während wir noch bei m Essen saßen, stellte sich bei der anderen Sippe ein Problem ein. Henrik hatte Blut gespuckt und ihm war dabei nicht besonders wohl. So wurde heftig nach einem Arzt gesucht, der wie sich dann herausstellte gerade im Urlaub war. Ein freundlicher Bauer fuhr den armen Henrik in Begleitung von Stefan ins nächste Krankenhaus. Der dortige Arzt konnte keine Erkrankung feststellen. Wir sollten aber den Verlauf genau beobachten und evtl. Blutproben sammeln. In der Zwischenzeit besuchte der Rest die Ruine Beilstein, störte das Burggespenst und genoss den schönen Abend. Für die Nacht konnten die Sippen in einer Scheune untergebracht werden, die uns der freundliche Bauer angeboten hatte. Am Morgen saßen wir dann vor der Scheune und erfreuten uns an einem wahrhaft fürstlichen Frühstück. Denn wir hatten frisches Brot, hausgemachte Marmelade, frische Brötchen, Kuhmilch und Kakao, sauberen Tee oder Kaffee und 30 gekochte Frühstückseier. Unsere Freude war darüber so groß, daß wir uns mit einem Lied von der freundlichen Familie verabschiedeten. Henrik ging es dann auch merklich besser. Beide Sippen hatten nun ihr nächstes Ziel bei Pfaffenhausen vor Augen, denn dort sollte zwei Tage gekohtet werden. Wir hatten eine Übernachtungsmöglichkeit bei Verwandten von unserem Stammesfeldmeister Albert Mager vor der Fahrt organisiert. Man zeigte uns sehr freundlich eine Wiese, wo wir unsere Kohten aufschlagen sollten und warnte uns vor dem Förster, der ziemlich scharf sein soll. Im Nachhinein stellten wir fest, daß wir diesem Förster auf dem Weg nach Pfaffenhausen begegnet waren und uns gewundert hatten, daß er unseren Gruß nicht erwidert hatte. So versteckten wir unsere Kohten und blieben einen Tag länger als geplant in Pfaffenhausen, denn wir hatten ausreichend Trinkwasser und Einkaufsmöglichkeiten. Jeden Tag gingen wir mehrmals zum Kneipp-Bad und erfrischten uns im kalten Quellwasser mit Fußtreten. Die Müdigkeit der vergangenen Tage war wie fortgeblasen und so konnte eine kleine Lagerolympiade stattfinden. Am letzten Tag bauten wir die Kohten ab und übernachteten unter dem freien Sternenhimmel, da wir um 5 Uhr vor Sonnenaufgang aufstehen wollten. Genau um 5.05 Uhr fielen die ersten Regentropfen eines plötzlich aufgetauchten Gewitters und wir konnten gerade noch unsere Rucksäcke unterstellen. Da unser Lagerplatz sehr ungünstig gelegen war, entschlossen sich die Sippen im Dorf vor Blitzschlag zu schützen. Und Recht hatten sie, denn es war ein Unwetter, wie wir es bis dahin auf dieser Fahrt nicht erlebt hatten. Wir warteten das Gewitter ab und kehrten zu unseren Rucksäcken zurück, die wir in der Eile vergessen mussten. Im Dorf wieder angelangt frühstückte man schnell Stückchen mit Kakao, denn wir wollten vor der Mittagshitze im Freibad bei Mernes sein. Das Freibad war kleiner als wir gedacht hatten und bestand nur aus zwei kleinen Becken. Wie sehr hatte man sich auf warme Duschen gefreut. Gegen Abend waren wir in einem Holzschuppen eines Motocrossclubs untergebracht. Auf der ca. 4 km langen Strecke übten die Motorradfahrer bis Sonnenuntergang. Als es dunkel wurde, waren einige vom Zuschauen so müde. Daß selbst das geplante Lagerfeuer ohne sie stattfinden musste. Am nächsten Morgen ging es zum Schlusspunkt nach Bad Soden-Salmünster. Gegen Nachmittag erreichten wir das Forsthaus und durften auf einer Wiese im Wald unsere Kohten aufbauen. Die Sippen konnten gerade noch die Kohtenplanen zusammenknüpfen, als sich plötzlich ein Gewitter mit dicken Regentropfen und Donnergrollen ankündigte. Wir deckten schnell unsere Rucksäcke mit Ponchos ab, gerade als die Regenwand immer näher kam und hurtig rannten wir in ein Holzarbeiterhaus, das uns für solche Notfälle offenstand. Eine Stunde lang tobte draußen ein Unwetter, Blitze zuckten und im selben Moment schlug es ein. Vom Fenster aus sahen wir regelrechte Sturzbäche den Waldweg herabfließen. Unsere Kohten lagen noch ausgebreitet am Boden, dort wo wir unsere Rucksäcke mit Ponchos abgedeckt hatten, sahen wir einen Blitz hernieder gehen. Zum Glück waren wir schnell genug in die Hütte gegangen. Als der Regen nachließ, wateten wir durch Pfützen und Bäche zu unseren Rucksäcken und stellten mit Freude fest, daß Rucksäcke und Kleidung trocken geblieben sind. Die nassen Kohten bauten wir schnell auf, da alle Hunger hatten und es auch dunkel wurde. Zum Essen gingen wir dann doch auf das nur 4 km entfernte Stadtfest von Bad Soden-Salmünster. Am nächsten Tag kamen wir froh und glücklich in Goldstein an.
Wanderfahrten sind keine Erholungsreisen! Sie sind und bleiben für Pfadfinder eine wichtige Quelle, um Land und Leute zu verstehen. Um Abenteuer bestehen zu wollen, bedarf es nicht einer großen Erfahrung. Es hängt von einem selber ab, in wie weit man sich auf ein Abenteuer einlässt. Gerade hier müssen die Sippen noch arbeiten.